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Kostenlose Beratung bei organisierter sexualisierter und ritueller Gewalt

Programmierung durch Konditionierung

Als Konditionierung werden in der Psychologie bestimmte Formen des Lernens verstanden, die durch die wiederholte Kopplung von inneren und äußeren Reizen – wie zum Beispiel Sinneseindrücken und Verhaltensweisen – entstehen. Mit „Programmierung“ wird im Kontext organisierter sexualisierter und ritueller Gewalt eine komplexe Form der Konditionierung beschrieben, durch die Tatpersonen versuchen, betroffene Personen – inklusive ihrer möglicherweise vorhandenen Teil-Persönlichkeiten – gefügig zu machen. Das Ziel soll sein, die Betroffenen in Bezug auf verschiedene von den Tatpersonen erwünschte Verhaltensweisen steuern zu können (9). Berichten zufolge könnten Tatpersonen durch sogenannte „Befehle“ beziehungsweise Reize diverse automatisierte Reaktionsmuster bei den Betroffenen immer wieder strategisch abrufen. Die Betroffenen erlebten diese Reaktionen als vom Alltagsbewusstsein losgelöst und verhielten sich reflexartig mit dem Gefühl, sich dagegen kaum wehren zu können. Zudem berichten Betroffene mit einer dissoziativen Identitätsstruktur von „eigenständigen“ im Sinne der Tatpersonen agierenden Teil-Persönlichkeiten, die zum Beispiel bestimmte Handlungen am Alltagsbewusstsein vorbei ausführen würden. Solche Programme sollen auf ganz unterschiedliche Weise aktiviert werden können – sowohl durch Befehle direkt durch die Tatpersonen als auch durch bestimmte Reize im Alltag, zum Beispiel bei dem Versuch, die erlebte Gewalt aufzuarbeiten oder sich zu erinnern. Eine Betroffene schilderte dies mit folgenden Worten:

Wenn ich versuche, Sachen von damals zu rekonstruieren, kann es sein, dass Programme anspringen, die mich dazu bringen, irgendwohin zu gehen oder irgendwas zu tun. […] Ein Programm ist ja nichts anderes als ein Training, ein gutes Training. So wie Sie einem Kind beibringen, an der roten Ampel stehenzubleiben, können Sie einem Kind auch beibringen, auf ein Fingerschnippen hin sich auszuziehen. Das ist nicht schwer.

Zitat einer betroffenen Person aus der Analyse von Anhörungen und Berichten im Kontext der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs (1)

Als übergeordnetes Ziel der Programmierung könne Gehorsamkeit und Verhaltenssteuerung gesehen werden. Betroffene berichten, dass konditionierte Reaktionen beziehungsweise „Programme“ in ganz verschiedene Bereiche ihres Lebens eingreifen würden. Dazu gehörten die Nahrungsaufnahme, das Schlafverhalten, Kontakte beziehungsweise Kontaktabbrüche zu helfenden Personen, das Anlügen von helfenden Personen, das Offenbaren von Passwörtern zu persönlichen Internet-Accounts an Tatpersonen, das Befolgen von Gruppenregeln (z.B. Schweigegebote), Selbstverletzungen und suizidale Handlungen sowie das Vorbereiten von sexualisierter Gewalt (10). Es wird berichtet, dass Teil-Persönlichkeiten bestimmte Sexual- oder Gewaltpraktiken antrainiert würden, die diese dann ohne erkennbare Scham- oder Schuldgefühle an anderen Personen ausüben sollen.

Dissoziation, Manipulation