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Die Bedeutung von sexuellem Kindesmissbrauch

Auch wenn der Medienboom der 1980er-Jahre anderes vermuten lässt, reicht die Dokumentation von sexuellem Kindesmissbrauch, begleitet von öffentlichem Unbehagen und großem Medieninteresse, bis ins 19. Jahrhundert zurück (Finnane & Smaal, 2016). Dennoch war bis in die 1980er-Jahre hinein relativ uneindeutig, was sexueller Kindesmissbrauch eigentlich bedeutet. Betroffenen und Tatpersonen wurden Bewertungen der „Sünde“ und des moralischen Verfalls zugeschrieben. Sich vage auf Freud stützende Theorien über kindliche Sexualität behaupteten, Kinder wünschten sich Sexualkontakt mit Erwachsenen (Shengold, 2000). Diese Argumente wurden in den 1950er-Jahren in bestimmten liberalen Forschungsmilieus wieder aufgegriffen, in denen ein häufiges Aufkommen sexuellen Kindesmissbrauchs als harmlos oder sogar zuträglich angesehen wurde (Olafson et al., 1993). Die soziale Auffassung von sexuellem Kindesmissbrauch war demnach lange Zeit verfahren, unzusammenhängend und moralisch mehrdeutig.

Der Zusammenschluss von Anliegen des Feminismus und des Jugendschutzes brachte in den 1970er- Jahren eine einfachere und emotionalisierte Deutung hervor: Sexueller Kindesmissbrauch ist häufig, schädlich und die Schuld des oder der Erwachsenen, nicht die des Kindes. Diese neue bewusste Wahrnehmung des Themas, Fortschritte in der Kinderheilkunde und gesetzliche Änderungen bewirkten in den 1980er-Jahren einen ungeahnten Anstieg der Berichte über sexuellen Kindesmissbrauch. Die vielen aufkommenden Fälle zeichneten das Bild einer „verdeckten Epidemie“ – eines erheblichen, aber unterdrückten sozialen Problems (Beckett, 1996). Die Erzählungen hatten dramatische Züge, die ihren Neuigkeitswert und ihre öffentliche Prominenz steigerten. Diese Aspekte bestimmen auch heute noch das öffentliche Bild und den politischen Diskurs zu sexuellem Kindesmissbrauch.