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Kostenlose Beratung bei organisierter sexualisierter und ritueller Gewalt

Supervision, Fortbildung und professionelle Vernetzung

Supervision, Fortbildung und professionelle Vernetzung von Helfenden sind wichtig, um Unsicherheiten in Bezug auf das Thema organisierte sexualisierte und rituelle Gewalt zu reduzieren und Handlungskompetenzen zu erweitern. Zudem können interdisziplinäre Netzwerke Betroffenen den Ausstieg aus Tatpersonengruppen erleichtern.  

Die folgenden Informationen geben einen Einblick in das Thema. Sie beruhen auf Erfahrungswissen psychosozialer Fachkräfte, die in der Vernetzungsarbeit aktiv sind.

Professionelle Vernetzung

Damit Helfende den Ausstieg Betroffener aus organisierten Gewaltstrukturen erfolgreich unterstützen können, ist ihre Vernetzung auf verschiedenen Ebenen von großer Bedeutung. Zu unterscheiden ist die Arbeit in fallbezogenen Netzwerken von der Vernetzung in thematischen Arbeitskreisen oder auf Fachtagen. An fallbezogenen Netzwerken – sogenannten interdisziplinären Helfer:innennetzwerken  – sind sowohl psychosoziale Fachpersonen als auch die betroffene Person selbst beteiligt. Bei gemeinsamen Treffen können Möglichkeiten, Problemlagen und Fortschritte aus verschiedenen Blickwinkeln erörtert und – darauf aufbauend – gemeinsame Ziele festgelegt und Aufgaben auf mehrere Schultern verteilt werden. Für psychosoziale Fachkräfte kann es zudem – auch losgelöst von einem konkreten Fall – sinnvoll sein, sich mit anderen Kolleg:innen zu vernetzen, sich auszutauschen, Informationen auszutauschen, Schwierigkeiten zu besprechen, sich thematisch zu engagieren oder gemeinsame Fortschritte zu würdigen. Dies kann beispielsweise in Arbeitskreisen oder auch auf Fachtagungen geschehen. Die Vernetzungsstrukturen sind divers. Hier einige Beispiele:

Vernetztes Arbeiten mit der Ausstiegsberatung des Trauma Hilfe Zentrums München e.V. (THZM)

Das THZM bietet sowohl Ausstiegsberatung und -begleitung für Betroffene als auch zahlreiche Angebote für Fachkräfte an. Auf der Internetseite des THZM wird das Angebot wie folgt beschrieben: „Wir sind Anlaufstelle und geben Orientierung, wir vermitteln Wissen und arbeiten in Netzwerken“. Der thematische Fokus des Trauma Hilfe Zentrums München liegt auf Traumafolgestörungen. Gleichzeitig gibt es Berater:innen, die sehr erfahren sowohl mit dem Thema organisierte sexualisierte und rituelle Gewalt als auch mit dem Thema Dissoziative Identitätsstörung bzw. -struktur sind. Um Helfende zu qualifizieren und zu vernetzen, bietet das THZM regelmäßig Seminare, Fortbildungen und Supervisionsgruppen an. Zudem hat das THZM im Jahr 2019 gemeinsam mit dem Frauen Therapie Zentrum München einen Fachtag zum Thema Ausstieg aus organisierter sexualisierter und ritueller Gewalt organisiert.

Regionale Arbeitskreise

In manchen Gegenden Deutschlands gibt es regionale Arbeitskreise zum Thema organisierte sexualisierte und rituelle Gewalt. In der Regel setzen sich diese Arbeitskreise aus Vertreter:innen verschiedenster Institutionen und freier Berufe zusammen, die mit dem Thema organisierte sexualisierte und rituelle Gewalt in Kontakt sind. Dies sind zum Beispiel Frauenberatungsstellen, Kliniken, sozialpsychiatrische Dienste, die Hilfsorganisation Weißer Ring, Tagesstätten, Anwält:innen und Therapeut:innen. Der regionale Arbeitskreis in Bayern trifft sich beispielsweise viermal im Jahr für 90 Minuten an wechselnden Orten und mit konstanter Leitung. Hier besprochene Themen sind unter anderem Öffentlichkeitsarbeit, Rechtsfragen, Fachtagvorbereitungen und allgemeiner Informationsaustausch. Darüber hinaus stellen Mitglieder des Arbeitskreises ihr Fachwissen in Form von Impulsvorträgen zur Verfügung. So kann eine fruchtbare gegenseitige Unterstützung stattfinden.

Wenn Helfende einen Arbeitskreis gründen oder wiederbeleben möchten, dann empfiehlt sich die Kooperation mit einer Institution, die schon länger zum Thema arbeitet. Das kann zum Beispiel eine Beratungsstelle oder ein Therapiezentrum sein. Erfahrungsgemäß ist es hilfreich, wenn Hauptamtliche dabei sind, die gegebenenfalls auch die Treffen inhaltlich und organisatorisch planen können und sich verantwortlich fühlen. Auch der Austausch mit anderen, bereits etablierten Netzwerken kann gerade in der Anfangszeit eine wertvolle Unterstützung sein.

Ein Mitglied eines Arbeitskreises beschreibt diese Form der Vernetzung als besonders hilfreich, weil „man mit Kolleg:innen reden kann, um das eigene Erleben und die Erfahrungen zusammen zu bringen. Da hilft es, dass man über mögliche Hintergründe/Dynamiken informiert wird, um die Symptome und geschilderten Probleme einordnen zu können“. In einem persönlichen Rückblick der Entwicklung dieses Arbeitskreises wird das folgende Fazit gezogen: „Die Konfrontation mit dem extremen Ausmaß von organisierter allumfassender Gewalt mitten in unserer Gesellschaft hat mich mobilisiert, von Beginn an vernetzt zu arbeiten“.

Bundesweiter Arbeitskreis

Der bundesweite Arbeitskreis zum Thema organisierte sexualisierte und rituelle Gewalt besteht seit dem Jahr 2019 und trifft sich zweimal im Jahr. Ziel ist die Vernetzung regionaler Arbeitskreise mit Vertreter:innen bundesweiter Institutionen und Organisationen, die sich mit dem Thema beschäftigen. Inhaltliche Schwerpunkte sind der fachliche Austausch über die Arbeit der regionalen Arbeitskreise, Öffentlichkeitsarbeit und politische Einflussnahme. Zudem koordiniert der Arbeitskreis Fachtage, erstellt Positionspapiere, präsentiert und diskutiert Ergebnisse neuer Studien sowie relevanter Veröffentlichungen und informiert darüber hinaus über Veranstaltungen im Zusammenhang mit organisierter sexualisierter und ritueller Gewalt.

Fachtage

Fachtage bieten ein öffentliches und oftmals auch überregionales Forum für das Thema organisierte sexualisierte und rituelle Gewalt und können der politischen Einflussnahme dienen. Im Mittelpunkt stehen der fachliche Input und die Zusammenführung von Praxis und Forschung. Einen besonderen Platz nehmen auf vielen Fachtagen Beiträge der Betroffenen ein.  Einige Fachtagungen werden auch von Betroffenen organisiert. Zudem bieten Fachtage die Möglichkeit, andere Interessierte kennen zu lernen, neue Kooperationen einzugehen, neue Arbeitskreise zu gründen und Vernetzungen zu initiieren oder zu vertiefen. Eine Teilnahme kann sich daher über den fachlichen Input hinaus lohnen. 

Fort- und Weiterbildungen

Fortbildungen sind eine gute Möglichkeit, Wissen zu vermitteln, Helfende in einen fachlichen Austausch zu bringen und Fachkräfte in „Schlüsselpositionen“ (zum Beispiel im Kinderschutz oder in den Strafverfolgungsbehörden) für das Thema zu gewinnen. Bei Basis-Fortbildungen zum Thema organisierte sexualisierte und rituelle Gewalt geht es zunächst darum, die Teilnehmenden zu sensibilisieren. Ziele sollten sein, dass sie grundlegende Informationen zum Thema erhalten, Anzeichen besser erkennen können und wissen, wo sie bei Bedarf Hilfe finden. Darüber hinaus können vertiefende, anwendungsorientierte Fortbildungen Helfende in der konkreten Begleitung von Betroffenen unterstützen. Häufig geschieht dies auch unter Einbezug aktueller Fälle. Wichtige Themen für die intensive Auseinandersetzung sind zum Beispiel: Leben mit Dissoziativer Identitätsstörung bzw. -struktur (DIS), innerer und äußerer Ausstieg, Umgang mit chronischer Suizidalität und schweren Selbstverletzungen und auch Wissen um möglicherweise belastende Daten, wie beispielsweise Geburtstage oder „Festtage“, welche von der jeweiligen Tatpersonengruppe mit besonderer ideologischer Bedeutung belegt wurden. Wichtig ist zudem die gemeinsame Reflexion der Dynamiken zwischen Betroffenen und psychosozialen Fachpersonen, der Dynamiken zwischen Betroffenen und Tätergruppierungen sowie der Dynamiken im inneren System von Betroffenen.

Fortbildungsangebote im Bereich sexualisierte Gewalt sind auf verschiedenen Wegen zu finden.

Zum einen bieten Beratungsstellen, die zum Thema arbeiten, häufig Fortbildungen für verschiedene Zielgruppen an, und zwar sowohl terminiert als auch auf Nachfrage. Um konkrete Angebote einzusehen, lohnt sich der Blick auf die jeweiligen Webseiten der Beratungsstellen.

Zum anderen gibt es Dachverbände und Koordinierungsstellen, die bundesweit zum Thema sexualisierte Gewalt tätig sind, zum Teil selbst Fort- und Weiterbildungen anbieten und oft auch die Angebote ihrer Mitgliedsorganisationen auf ihrer Internetseite bündeln. Dazu gehört unter anderem die Deutsche Gesellschaft für Prävention und Intervention bei Kindesmisshandlung, -vernachlässigung und sexualisierter Gewalt e.V. (DGfPI) und die Bundeskoordinierungsstelle Spezialisierter Fachberatung (BKSF). 

Auch Weiterbildungsinstitute können Angebote bereithalten, die für das Thema organisierte sexualisierte und rituelle Gewalt interessant sind.  Gerade für den Bereich Therapie ist hier viel zu finden.

Supervision und Intervision

Supervisions- und Intervisionsgruppen bieten im psychosozialen und klinischen Kontext die Möglichkeit, sich in einer vertrauensvollen Umgebung fachlich auszutauschen und voneinander zu lernen. Für eine gelingende Begleitung von Betroffenen organisierter sexualisierter und ritueller Gewalt ist ein spezialisiertes Fachteam unter erfahrener Supervision in diesem Bereich zu empfehlen. Das dient sowohl dem Schutz der beteiligten Fachkräfte als auch der gemeinsamen fachlichen Weiterentwicklung.

Ein Beispiel für eine gelungene Supervision und Intervision ist das einrichtungsübergreifende „Fachteam Spezial zu organisierter sexualisierter und ritueller Gewalt“ initiiert von Sylvia Asmus (Dipl.-Psych.) im Frauen Therapie Zentrum München. Dieses Fachteam etablierte sich 2012, um eine tiefergehende Fallarbeit zu ermöglichen. Voraussetzung für die Teilnahme an diesem Austausch sind eine Basisschulung, erste Erfahrungen in der Ausstiegsbegleitung oder die Bereitschaft, sich einzuarbeiten. In geschützter und achtsamer Atmosphäre können im Kolleg:innenkreis schwierige Themen besprochen werden. Es kommen dabei neben Reflexionsrunden auch kreative Techniken wie Aufstellungen, Stuhlarbeit, Rückenstärkungsübungen, Ressourcenaktivierung und mutmachende Filmausschnitte zum Einsatz. Hierdurch können Kraft und Klarheit gewonnen, neue Aspekte integriert und professionelle Distanz wiederhergestellt werden. Mit neuem Mut und frischen Impulsen kann die Begleitung der Betroffenen fortgeführt oder in Angriff genommen werden. Das Fachteam Spezial zu organisierter sexualisierter und ritueller Gewalt trifft sich sechsmal im Jahr für 100 Minuten.