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Kostenlose Beratung bei organisierter sexualisierter und ritueller Gewalt

Diskussion

Die klinische Behandlung von dissoziativen Störungen hat sich in den letzten 30 Jahren erheblich weiterentwickelt. Studien zeigen maßgebliche Verbesserungen über mehrere klinische Bereiche hinweg (Brand et al., 2009). Die vorläufigen Ergebnisse dieser Studie legen jedoch nahe, dass die Reaktionen der Behörden auf dissoziative Erwachsene mit diesen Behandlungsfortschritten nicht mithalten können – und das obwohl Betroffene Unterstützung benötigen und häufig eine Reihe von Behörden auf sie aufmerksam werden. In dieser Studie beschrieben Betroffene und Fachpersonen inkonsistente Reaktionen auf organisierte Gewalt im Erwachsenenalter innerhalb verschiedener Institutionen wie psychiatrische oder medizinische Einrichtungen, Strafverfolgung, und Jugendschutz. Wenn im Falle einer Offenlegung organisierter Gewalt mit angemessener Unterstützung reagiert wurde, war dies größtenteils Glückssache. Betroffene und Fachpersonen beschrieben den Versuch, anhaltende Viktimisierung sowie psychische Erkrankungen zu bewältigen – und dies vor dem Hintergrund von Behörden, die weder Dissoziation noch organisierte Gewalt erkannten. Ohne ein unterstützendes und schützendes Netzwerk war es für die Befragten schwierig, eine optimistische Perspektive in Krisenzeiten aufrechtzuerhalten. Eine weitere Schwierigkeit war es, ohne jene Ressourcen eine professionelle Arbeitsbeziehung innerhalb der therapeutischen Grenzen zu wahren, d.h. ohne eine übermäßige persönliche Verantwortung und Involvierung der Therapierenden. Sowohl für die Betroffenen selbst als auch für die befragten Fachpersonen war es eine Herausforderung, die Balance zwischen der Verbesserung des Wohlbefindens und der Unabhängigkeit der Betroffenen zu halten – bei gleichzeitiger Bewältigung und Verringerung ihres Risikos der Viktimisierung. Die vorherrschende Sichtweise, dass Personen ab der Volljährigkeit unabhängig sind und Entscheidungen aus freien Stücken treffen können, reicht nicht aus, um die Handlungen erwachsender Betroffener von organisierter Gewalt zu verstehen. Was für einen externen Beobachter wie die „Entscheidung“ eines Erwachsenen aussieht, kann in der Regel eher als erzwungenes Verhalten, das auf Gewalterfahrung, Angst und Manipulation beruht, interpretiert werden. Einige Behörden sahen die Verantwortung für die organisierte Gewalt vor allem bei den Betroffenen: Sie beschuldigten sie, ein Risiko für ihre Kinder darzustellen, sich scheinbar nicht an die Anweisungen der Polizei zu halten, oder wegen ihrer Verletzungen. Andere Behörden bezeichneten Betroffene als unfähig und verantwortungslos, als „verrückt“ oder wahnhaft. Derart polarisierte Reaktionen können die Dynamik der Demütigung und Selbstvorwürfe bei Betroffenen verstärken und die Genesung und Sicherheit weiter gefährden. Sowohl Betroffene als auch praktizierende Fachpersonen sahen es als „Ironie des Schicksals“, dass Erwachsene dem System der organisierten Gewalt entkommen könnten, nur um sich dann in eine Reihe anderer destruktiver Systeme zu verstricken.