In welcher Situation sind Betroffene?
Menschen, die aus dem Kontext organisierter sexualisierter und ritueller Gewalt kommen, berichten in aller Regel ihre ganze Kindheit und Jugend hindurch und oft bis weit ins Erwachsenenalter hinein schweren Straftaten ausgesetzt gewesen zu sein. Betroffenenberichten zufolge handelt es sich insbesondere um Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und die Gesundheit beziehungsweise die körperliche und seelische Unversehrtheit sowie die persönliche Freiheit (13., 17. bzw. 18. Abschnitt des Strafgesetzbuches – StGB).
Oft berichten Betroffene, engste Familienangehörige seien Tatpersonen oder in das System der Gewalt eingebunden – meist schon über Generationen hinweg. Diesen Betroffenen fällt der Ausstieg und auch die juristische Aufarbeitung erlittener Verbrechen erfahrungsgemäß besonders schwer. Wenn überhaupt, dann gelingt ein Ausstieg meist erst im Erwachsenenalter und eine juristische Aufarbeitung findet eher selten statt. Doch auch der Schutz von betroffenen Kindern ist möglich und sollte unabdingbares Ziel von Prävention und Intervention sein. Wenn Strafverfolgungsbehörden beispielsweise Missbrauchsabbildungen oder -filme im Netz finden und organisierte sexualisierte Gewalt aufdecken, entkommen betroffene Kinder mitunter den organisierten Gewaltstrukturen und werden aus ihren Familien genommen. Ein Ausstieg im Kindesalter kann auch gelingen, wenn lediglich ein Elternteil in die organisierten sexualisierten und rituellen Gewaltstrukturen eingebunden ist und der andere Elternteil sich zum Schutz des Kindes von dem:der Partner:in trennt.
- Mehr erfahren...
Erfahrungsgemäß üben Tatpersonen einen immensen Druck auf das betroffene Kind aus. Infolgedessen scheint es häufig vorzukommen, dass betroffene Kinder verinnerlichen, niemals über das ihnen zugefügte Leid sprechen beziehungsweise die Gruppe „verraten“ zu dürfen. Zudem soll nach Berichten aus der Praxis und von Betroffenen durch Tatpersonen gezielt das Phänomen starker, anhaltender frühkindlicher Dissoziation erzeugt und damit die Möglichkeit genommen werden, sich durchgehend zu erinnern. Um die Wahrnehmungs-, Orientierungs- und Erinnerungsfähigkeit betroffener Kinder, Jugendlicher und Erwachsener zusätzlich zu beeinflussen, würden diese von Tatpersonen oft auch unter Drogen gesetzt. Diese und andere Strategien würden häufig erschweren oder verhindern, dass Zeug:innen gerichtsfeste, zusammenhängende und reproduzierbare Aussagen machen können.
Darüber hinaus wird häufig berichtet, dass Tatpersonen betroffene Kinder in ihrer Wahrnehmung von sich selbst und in Bezug auf die Vertrauenswürdigkeit ihrer Umwelt gezielt verunsichern. Typische Botschaften sind „Du spinnst nur“ oder „Niemand wird Dir glauben“. Viele Betroffene berichten, dass ihnen die Tatpersonen zudem starke Angst vor möglicherweise hilfreichen juristischen, medizinischen und psychosozialen Institutionen machten – insbesondere auch vor der Polizei.