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Kostenlose Beratung bei organisierter sexualisierter und ritueller Gewalt

Diagnostik von DIS

Viele Betroffene berichten nur dann von dissoziativen Symptomen, wenn sie ausreichend Vertrauen zu den Diagnostiker:innen beziehungsweise Behandler:innen haben. Sie brauchen meist Zeit, ihre dissoziativen Erfahrungen, Wahrnehmungen und Verhaltensweisen zu erkennen, diese in Worte zu fassen und entsprechend mitzuteilen. Zudem haben sie oft auch bei jahrelanger Therapie immer wieder Zweifel am eigenen Erleben, Schamgefühle und ausgeprägte Ängste, „verrückt“ zu sein. Manche Symptome und deren diagnostische Zuordnung werden daher oft erst im Laufe einer langen ambulanten oder stationären Psychotherapie deutlich. Wichtig ist, dass sich Behandler:innen und Betroffene auch bei noch offener Diagnostik darauf konzentrieren, vorliegende Symptome zu bewältigen und Einschränkungen zu überwinden. Selbstkontrolle, Selbstwirksamkeit und Selbstfürsorge sind häufige Behandlungsziele im psychotherapeutischen Prozess. Sie können Betroffenen helfen, das eigene Leben zunehmend so zu gestalten, dass es sich lebenswert und erfüllt anfühlt ‒ auch wenn der Weg dahin häufig lang und beschwerlich ist. Die vertiefte Arbeit mit dissoziativen Persönlichkeitsanteilen sollte erst bei einer gesicherten DIS-Diagnose und im Rahmen einer traumaspezifischen Psychotherapie erfolgen. Auch die Zuordnung der erfolgten Gewalterfahrungen, zum Beispiel ob es sich dabei um die Folgen von organisierter sexualisierter und ritueller Gewalt handelt, kann meist erst über einen längeren Zeitraum hinweg und mit ausreichender Erfahrung der Behandler:innen oder entsprechender Supervision gemeinsam mit den Betroffenen eingeschätzt werden.

Leider wird eine DIS von Fachpersonen häufig nicht erkannt (3). Gründe dafür sind, dass die Diagnose DIS nicht ausreichend bekannt ist und teilweise auch nicht akzeptiert wird (4,5). Dadurch kommt es vor, dass Fachärzt:innen und Psychotherapeut:innen Symptome übersehen oder einer anderen Diagnose zuordnen, wie zum Beispiel der einer (Borderline-)Persönlichkeitsstörung oder Schizophrenie (3). In der Folge werden betroffene Menschen gar nicht oder entsprechend der gestellten Fehldiagnose behandelt und wichtige darüberhinausgehende therapeutische Behandlungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft. Menschen mit einer nicht diagnostizierten Dissoziativen Identitätsstruktur können dann möglicherweise trotz einer Psychotherapie ihre Symptome und damit einhergehende Einschränkungen im alltäglichen Leben nicht ausreichend verstehen und bewältigen. Dies ist mit erheblichem persönlichem Leid verbunden. Andersherum kann es – genau wie bei anderen psychischen Erkrankungen – auch bei der DIS zu falsch positiven Diagnosen kommen. Das heißt, die Diagnose einer DIS wird aufgrund einer Fehleinschätzung der Behandler:in gestellt, ohne dass diese wirklich vorliegt (6,7). Manchmal kann es auch vorkommen, dass Menschen fälschlicherweise von sich aus überzeugt sind, eine DIS zu haben. Auch diese Menschen bleiben in ihrem Heilungsprozess blockiert, weil die eigentlich dahinterliegenden psychischen Belastungen (z.B. eine Borderline-Persönlichkeitsstörung) nicht oder unpassend behandelt werden. Allerdings gilt: Obwohl sich Behandler:innen beim Vergeben einer DIS-Diagnose auch einmal irren können, ist die Diagnose insgesamt in Deutschland bisher zu wenig akzeptiert und wird zu selten gestellt.