Skip to main content
Hilfe-Telefon berta 0800 30 50 750
Kostenlose Beratung bei organisierter sexualisierter und ritueller Gewalt

Perspektive einer betroffenen Frau

Für Personen, die organisierte sexualisierte und rituelle Gewalt erfahren und Traumafolgesymptome entwickelt haben, kann die Suche nach einer passenden Psychotherapie langwierig und mühsam sein. Das liegt unter anderem daran, dass unsere Gesellschaft und auch viele psychosoziale Fachpersonen nicht ausreichend über das Thema DIS und die möglicherweise dahinterliegenden Gewaltstrukturen informiert sind. Es gibt einen Mangel an Wissen.

„Ich war mir der Dissoziativen Identitätsstruktur gar nicht bewusst. Das ist schwierig, wenn das Außen nicht erkennt und man selbst auch kein Bewusstsein dafür hat, was mit einem los ist.“

Zitat einer anonymen Betroffenen, persönliche Kommunikation mit den Autor:innen (2021)

Eine hilfreiche erste Anlaufstelle können Beratungsangebote sein, die auf das Thema sexualisierte Gewalt spezialisiert sind. Die Berater:innen dieser Fachberatungsstellen haben viel Erfahrungswissen und gute Netzwerke. So können sie beispielsweise Kontakte zu Psychotherapeut:innen mit Fachkenntnissen im Bereich der Traumafolgestörungen herstellen.

„Ich war in vielen Kliniken und bei vielen Therapeut:innen, die mich nicht verstanden haben, bis ich schließlich beim Frauennotruf gelandet bin. Die haben mich dann an meine Therapeutin verwiesen, die zu dem Zeitpunkt eigentlich auch gar keine Patient:innen mehr aufnahm. Dass sie es tat, war das Beste, was mir hätte passieren können.“

Zitat einer anonymen Betroffenen, persönliche Kommunikation mit den Autor:innen (2021)

Auf der Suche nach einem geeigneten Therapieplatz kann es sein, dass Betroffene viele verschiedene Möglichkeiten ausprobieren und unterschiedliche Fachkräfte aufsuchen müssen, bis sie ein für sich passendes Angebot gefunden haben. Auch dann ist auf allen Seiten oft viel Geduld gefragt, bis eine vertrauensvolle therapeutische Beziehung entsteht.

„Es ist ein stetiges Überwachen. Bevor es richtig losgeht, wird der:die Therapeut:in einmal richtig geprüft und alles abgeklopft. Das braucht seine Zeit.“

Zitat einer anonymen Betroffenen, persönliche Kommunikation mit den Autor:innen (2021)

In der Therapie kann es für Personen, die organisierte sexualisierte und rituelle Gewalt erlebt und eine Dissoziative Identitätsstruktur entwickelt haben, besondere Hindernisse geben, die eine effektive Zusammenarbeit sowie das Aufbauen einer vertrauensvollen therapeutischen Beziehung erschweren. Zu den Hindernissen können beispielsweise massive Ängste, Misstrauen und Scham gehören. Zudem berichten Betroffene und Fachpersonen oft von vergangenen oder gegenwärtigen Einflüssen aus der Tatpersonengruppe, die das Ziel haben, die Aufnahme einer psychotherapeutischen Behandlung zu verhindern oder zu blockieren. Insbesondere am Anfang der Therapie kann es hilfreich sein, sich gemeinsam mit der:dem Psychotherapeut:in Ängste, Misstrauen und mögliche Blockaden genauer anzusehen. Außerdem ist es wichtig, sich als betroffene Person immer wieder zu fragen und zu prüfen, ob sich die Zusammenarbeit mit dem:der Therapeut:in nach wie vor stimmig anfühlt.

„Oft ist das Problem, dass man dem eigenen Gefühl nicht traut. Ich möchte dies aber bestärken. Man sollte auf sein Gefühl hören, wenn man in der Therapie merkt ‚Ich komme hier eigentlich gar nicht weiter. Das läuft in eine völlig falsche Richtung.‘ Dann sollte man den Mut und die Größe haben, die Zusammenarbeit mit dem:der Therapeut:in abzubrechen.“

Zitat einer anonymen Betroffenen, persönliche Kommunikation mit den Autor:innen (2021)

Eine Psychotherapie kann intensiv und arbeitsreich sein. Diese Anstrengung lohnt sich jedoch meist. Viele Betroffene empfinden den Beistand durch einen:eine Psychotherapeut:in als hilfreich und eine erfolgreiche Psychotherapie als im positiven Sinne lebensverändernd.

„Ich hatte viele Phasen, in denen ich überhaupt nicht gesprochen habe, und trotzdem war meine Therapeutin da. Selbst als noch Kontakt zu den Tatpersonen bestand, hat sie mich nicht abgewiesen, sondern das auf ihre Art und Weise mitgetragen. […] Diese Mauer des Gehorsams und des Schweigens zu durchbrechen, ist kein Zuckerschlecken. Es sind mehr Tiefen als Höhen, wenn man beginnt zu verstehen, was mit einem los ist. Es ist ein Leben jenseits dieser Welt des Gehorsams möglich. Es gibt Leute, die verstehen. Mit dieser Unterstützung bin ich das, was ich heute bin: Mit einem Selbstbewusstsein und der Fähigkeit, das Leben anders oder überhaupt zu leben und neu zu entdecken sowie auch die Geschichte ein Stück weit stehen lassen zu können und Problematiken, die noch vorhanden sind, ebenso zu akzeptieren.“

Zitat einer anonymen Betroffenen, persönliche Kommunikation mit den Autor:innen (2021)