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Kostenlose Beratung bei organisierter sexualisierter und ritueller Gewalt

Körperliche und psychische Folgen von sexualisierter Gewalt bei Kindern und Jugendlichen

Die körperlichen und psychischen Folgen von sexualisierter Gewalt bei Kindern und Jugendlichen sind selten spezifisch. Das heißt: Die Folgen können auch andere Ursachen haben und Helfende haben es schwer, sie richtig einzuordnen und sexuellen Missbrauch als Ursache zu erkennen. Ergebnisoffene Gespräche mit mutmaßlich betroffenen Kindern und Jugendlichen können bei einer Vermutung zur Klärung der Situation beitragen – vorausgesetzt diese können und wollen über den Missbrauch sprechen. Viele Kinder und Jugendliche sprechen zunächst nicht offen darüber, was ihnen passiert. Dafür kann es unterschiedliche Gründe geben: Sie schämen sich. Sie fühlen sich schuldig. Sie wollen die Tatperson(en) schützen. Sie haben Angst vor den Tatpersonen. Sie haben Angst vor den Konsequenzen. Sie erinnern sich nicht. Sie verdrängen die Gewalt. Sie haben kein Vertrauen zu der Person, die mit ihnen spricht. Eine Betroffene, die in ihrer Kindheit organisierte sexualisierte und rituelle Gewalt erlebt hat, schildert, dass sie eine ständige Wachsamkeit entwickelt habe, die eine Aufdeckung der Gewalttaten verhindern sollte:

„Ich habe zu Hause gelernt, Reaktionen auf mein Verhalten genau zu beobachten. So habe ich auch im Umgang mit anderen eine permanente Wachsamkeit entwickelt und war in sozialen Situationen ständig unter Spannung.“

Zitat einer anonymen Betroffenen, die ihre Erfahrungen mit den Autor:innen der Website teilte

Deutliche körperliche Auffälligkeiten infolge sexualisierter Gewalt zeigen sich bei Kindern und Jugendlichen vor der Pubertät eher selten (1). Das liegt daran, dass es viele Formen sexualisierter Gewalt gibt, bei denen Tatpersonen keine massive körperliche Gewalt anwenden (2). Bei von organisierter sexualisierter und ritueller Gewalt betroffenen Kindern werden sichtbare körperliche Spuren mitunter auch verborgen gehalten, wie eine Betroffene beschreibt:

„Ich wurde vom Sportunterricht befreit, damit die anderen Kinder und die Lehrer:innen meinen Körper nicht sehen. Ebenso wurde ich manchmal montags oder freitags vom Unterricht entschuldigt, wenn am Wochenende etwas passiert war.“

Zitat einer anonymen Betroffenen, die ihre Erfahrungen mit den Autor:innen der Website teilte

Falls sich doch körperliche Folgen feststellen lassen, sind diese häufig Verletzungen des Genital- oder Analbereichs, sexuell übertragbare Infektionen oder Schwangerschaften bei geschlechtsreifen Mädchen (1,3). Bleiben Verletzungen unbehandelt, können sich zudem chronische Gesundheitsprobleme einstellen, wie zum Beispiel Erkrankungen des Magen-Darm-Trakts und der Geschlechtsorgane, Schmerzerkrankungen, motorische Probleme und Autoimmunerkrankungen (3).

Zu irgendeinem Zeitpunkt im Leben entwickeln die meisten Kinder und Jugendlichen mit sexualisierten Gewalterfahrungen psychische Auffälligkeiten oder Störungen (4). Ähnlich zu den körperlichen Folgen sind diese häufig unspezifisch und können auch andere Ursachen haben. Kurzfristige Reaktionen, die häufig innerhalb weniger Tage oder Wochen auftreten, sind Gefühle von Taubheit oder Orientierungslosigkeit gefolgt von dissoziativen Symptomen, Reizbarkeit, Stimmungsschwankungen, Ängsten oder aggressivem Verhalten (3). Mittel- und langfristige psychische Folgen können Posttraumatische Belastungsstörungen und Depressionen sein. Auch psychische Erkrankungen, wie die Borderline-Persönlichkeitsstörung, die Dissoziative Identitätsstörung, Essstörungen oder Schmerzstörungen werden mit dem Erleben sexualisierter Gewalt in der Kindheit in Verbindung gebracht (5, 6). Betroffene Kinder zeigen infolge traumatisierender Erfahrungen oftmals auch Symptome, die dem Bild einer Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) ähneln, wie zum Beispiel eine übermäßige Wachsamkeit oder Nervosität (7). Es kann daher passieren, dass Kinder fälschlicherweise zunächst die Diagnose einer ADHS erhalten und die Vermutung auf sexualisierte Gewalt gar nicht erst aufkommt oder in den Hintergrund gerät. Symptome einer ADHS können somit ein Anlass sein, noch einmal genauer hinzuschauen (4).