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Wie kommt es zu einer dissoziativen Identitätsstruktur?

Die dissoziative Identitätsstruktur ist in der Regel eine Folge überwältigender Belastungen und Leids – zum Beispiel durch schwere und wiederkehrende Gewalteinwirkung in der frühen Kindheit. Je massiver und häufiger Gewalterfahrungen sind und je jünger die betroffene Person ist, desto ausgeprägter sind auch die Folgen von Traumatisierungen (3). Sind die Tatpersonen gleichzeitig auch noch die Eltern oder andere Fürsorgepersonen, entsteht für das betroffene Kind eine bedrohliche Abhängigkeit und Schutzlosigkeit, die es womöglich nur durch Dissoziation bewältigen kann. Laut der gängigen Theorie zur Entstehung dissoziativer Identitätsstrukturen bewirkt diese Dissoziation bei jüngeren Kindern, die noch kein stabiles Ich-Gefühl entwickelt haben, dass sie in extremen und existenziell bedrohlichen Situationen ihre Erfahrungen nicht in eine kohärente Identität integrieren. Es entstehen „Innenpersonen“, welche die Last der andauernden traumatischen Erfahrungen tragen und von der „Alltagspersönlichkeit“ (so heißt der Persönlichkeitsanteil, der im Alltag meist die Kontrolle über das Denken und Handeln hat) und somit aus ihrem alltäglichen Leben fernhalten. So können Kinder weiterhin die lebensnotwendige Bindung zu gewalttätigen Eltern beziehungsweise Bezugspersonen aufrechterhalten, ohne diese als Tatpersonen wahrzunehmen. Das Symptombild einer Dissoziativen Identitätsstörung (DIS) kann wie verschiedene mehr oder weniger eigenständige Persönlichkeiten innerhalb eines Körpers erscheinen, weshalb es früher als „multiple Persönlichkeitsstörung“ bezeichnet wurde (4). Heute wird die DIS durch verschiedene Persönlichkeitszustände mit jeweils eigenen Wahrnehmungs- und Verhaltensmustern charakterisiert (5). Viele Betroffene und Helfende sehen in der Ausbildung verschiedener Persönlichkeitsanteile einen wichtigen Bewältigungsmechanismus – eine Anpassungsleistung der Betroffenen in einer gewaltvollen Realität, die sonst nicht überlebbar wäre. Vor diesem Hintergrund fällt es ihnen schwer, von einer Störung zu sprechen., weshalb sich in der Praxis zusätzlich die Bezeichnung „Dissoziative Identitätsstruktur“ etabliert. Für Fachkräfte ist es herausfordernd, eine DIS zu erkennen und in der Diagnostik von anderen psychischen Erkrankungen abzugrenzen. Sie brauchen fundierte Kenntnisse, um eine fachgerechte Diagnose stellen zu können. Viele betroffene Menschen berichten, dass sie schon einmal eine falsche Diagnose bekommen haben – zum Beispiel die der Borderline-Persönlichkeitsstörung oder der Schizophrenie (6). Darüber hinaus wird das Symptombild der DIS oft übersehen (7). Viele Kliniker:innen stellen sich darunter ein schrilles Symptom-Muster vor, bei dem die verschiedenen Persönlichkeitsanteile offenkundig zum Vorschein kommen. Dissoziative Symptome sind aber meist diskret, werden durch andere psychische Störungen verdeckt und müssen daher aktiv und fachkundig erfragt werden (7,8).