Skip to main content
Hilfe-Telefon berta 0800 30 50 750
Kostenlose Beratung bei organisierter sexualisierter und ritueller Gewalt

Kommerzielle sexuelle Ausbeutung

Kommerzielle sexuelle Ausbeutung bedeutet, dass die Tatpersonen mit dem Menschenhandel einen finanziellen Gewinn erwirtschaften. Dieser ist das übergeordnete geschäftliche Ziel der Ausbeutung (3). Nach einer Schätzung des Bundeskriminalamtes (BKA) im Jahr 2019 handelt es sich bei 19,4% des Menschenhandels in Deutschland um kommerzielle sexuelle Ausbeutung (4). Es gibt verschiedene Formen der kommerziellen sexuellen Ausbeutung. Hellfeldzahlen legen nahe, dass überproportional häufig Mädchen und Frauen davon betroffen sind, weshalb im Kontext von Zwangsprostitution auch von „Frauenhandel“ gesprochen wird (2). Eine in Deutschland verbreitete Form ist die sogenannte Loverboy-Methode. Dabei täuschen Männer Liebesbeziehungen vor, um Mädchen und Frauen mit psychischem Druck der Prostitution zuzuführen. Sie gewinnen das Vertrauen der Betroffenen, erschaffen eine emotionale Abhängigkeit und isolieren sie weitgehend von ihrem sozialen Umfeld.

Kommerzielle sexuelle Ausbeutung stellt besonders für Säuglinge, Kleinkinder und ältere Kinder als schwächste Mitglieder der Gesellschaft eine Gefahr dar. Dabei geht es um Menschenhandel mit Kindern, Kinder, die zu Prostitutionszwecken ausgebeutet werden, die Herstellung von Missbrauchsabbildungen von Kindern (strafrechtlich sogenannte Kinderpornografie) und sexuelle Ausbeutung von Kindern auf Reisen und im Tourismus (5). Als weltweiter finanzieller Umsatz mit Missbrauchsabbildungen von Kindern werden Millionenbeträge angenommen. Konkrete Schätzungen zum Ausmaß des Menschenhandels und der sexuellen Ausbeutung von Minderjährigen in Deutschland sind nicht möglich. Expert:innen gehen von einem großen Dunkelfeld aus – das heißt von vielen nicht angezeigten beziehungsweise nicht bekannten Fällen. Ein Fall aus einer Aktenanalyse im Rahmen eines Forschungsberichtes des Kriminalistischen Instituts des Bundeskriminalamtes zur Ausbeutung Minderjähriger in Deutschland, Bulgarien und Rumänien verdeutlicht die schwierige Ermittlungs- und Unterstützungssituation (6):

Fallbeispiel

Ein bulgarisches Mädchen, im Alter von drei Jahren von einem deutschen Paar adoptiert, wird ab dem vierten Lebensjahr vom Vater zur sexuellen Ausbeutung angeboten. Der Vater gehört einer Tatpersonengruppe im Kontext organisierter sexualisierter und ritueller Gewalt an, innerhalb der das betroffene Kind unter Anwendung psychischer und physischer Gewalt zu sexuellen Handlungen gezwungen wird. Daneben sind drei bis vier weitere Jungen und Mädchen innerhalb des Zirkels von sexueller Ausbeutung betroffen. Das Opfer vertraut sich mit 15 Jahren schließlich einer Ärztin an, welche den Kontakt zu einer Beratungsstelle herstellt. Eine Herauslösung aus der Tatpersonengruppe und eine Beendigung der sexuellen Ausbeutung konnte zum Befragungszeitpunkt noch nicht erreicht werden. Das Opfer steht in einem erheblichen Abhängigkeitsverhältnis zu den Tatpersonen; eine Loslösung ist kaum möglich. An einer Anzeige bei der Polizei hindern das Mädchen, den eigenen Angaben nach, die Angst vor den Tatpersonen sowie die Befürchtung, die Polizei könnte den Wahrheitsgehalt ihrer Aussagen in Zweifel ziehen.