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Kostenlose Beratung bei organisierter sexualisierter und ritueller Gewalt

Strategien der Tatpersonen

Menschen, die aus organisierten sexualisierten und rituellen Gewaltstrukturen aussteigen wollen, berichten immer wieder davon, dass die Tatpersonen ein großes Interesse daran haben, Betroffene an die Gruppe zu binden (1). Um einen Ausstieg aus der Gruppe zwecklos erscheinen zu lassen, würden sie verschiedene Strategien anwenden. So werde psychische Gewalt, wie zum Beispiel Drohungen, mit körperlicher Gewalt und Erpressung gekoppelt, um den Widerstand betroffener Personen zu brechen. Betroffene berichten beispielsweise auch, von den Tatpersonen gezwungen worden zu sein, selbst strafrechtlich relevante Taten inner- und außerhalb der Gruppe zu begehen (2). Fotos und Filme einer solchen Mittäterschaft machen betroffene Personen erpressbar. 

„Man verfolgte mich und man setzte mich auch unter Druck, indem man mir meine eigenen Straftaten vorgehalten hat.“

Zitat einer betroffenen Person aus der Analyse von Anhörungen und Berichten im Kontext der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs (1)

Hinzu kommen komplexe psychische Manipulationsstrategien. Berichten von Betroffenen organisierter sexualisierter und ritueller Gewalt zufolge, erzeugen Tatpersonen gezielt und strategisch dissoziative Identitätsstrukturen: sie würden die Betroffenen durch Konditionierung „programmieren“ und ihr Realitätsbewusstsein irritieren, indem sie bestimmte Ereignisse inszenieren (1). Häufige Folgen dieser Strategien aufseiten der Betroffenen seien nach Angabe von Fachkräften Hilflosigkeit, Gehorsam und Unglaubwürdigkeit. Zudem hätten viele Betroffene (Todes-)Angst und würden über die Taten schweigen, um sich oder andere zu schützen, was den Ausstieg und die Aufdeckung von Gewaltstrukturen zusätzlich erschwere (1).

Weiterhin wird von Betroffenen berichtet, dass Tatpersonen gut organisiert und teilweise mit Personen in gesellschaftlich wichtigen Machtpositionen vernetzt seien:

„Das sind nicht irgendwelche armen Schlucker, sondern das ist der Staatsanwalt, das ist der Bischof, das ist der Richter. Das sind Menschen, die Ansehen und Geld haben. Also das ist auch wichtig, dass wir in allen Schichten die Täter suchen.“

Zitat einer betroffenen Person aus der Analyse von Anhörungen und Berichten im Kontext der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs (1)

Diese Vernetzungen könnten auf verschiedenen Wegen zustande kommen. In einigen Fällen berichten Betroffene, dass Menschen in Machtpositionen direkt der Tatpersonengruppe angehören würden. In anderen Fällen wird berichtet, dass Menschen in Machtpositionen zum Beispiel mit Bildmaterial oder prekären persönlichen Informationen erpresst würden (1). Das Machtverhältnis sei durch all diese Faktoren deutlich zugunsten der Tatpersonen verschoben und mindere die Möglichkeiten der betroffenen Personen, Widerstand zu leisten oder auszusteigen.

Viele Betroffene berichten zudem, dass organisierte sexualisierte und rituelle Gewalt häufig generationenübergreifend in Familien stattfinde (3). Die emotionale Bindung an Tatpersonen oder andere Gruppenmitglieder kann den Ausstieg zusätzlich erschweren.

„Und selbst wenn man dazu in der Lage ist, seinen Eltern die Verantwortung für diese Dinge zuzuschreiben und sich aufgrund der Quälereien von ihnen zu distanzieren, so stellt doch die Trennung von den Geschwistern eine ganz andere Hürde dar.“

Zitat einer Betroffenen: Melina, in: Fliß & Igney, 2010 (4)

Viele Betroffene würden sich der Tatpersonengruppe sehr zugehörig fühlen, obwohl sie von massiver Gewalt innerhalb dieser Gruppe berichten. Auch das kann eine bewusste Strategie der Tatpersonen sein: 

„Und auch die Geborgenheit, irgendwo zu einer Gruppe dazuzugehören, weil man sagte mir immer, dass man etwas Besonderes ist, wenn man dieser Gruppierung angehört.“

Zitat einer betroffenen Person aus der Analyse von Anhörungen und Berichten im Kontext der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs (1)

Hinzu komme häufig ein starkes Ungleichgewicht der finanziellen Ressourcen. Während viele Betroffene berichten, von den Tatpersonen finanziell abhängig zu sein, würden diese wiederum häufig über ausgeprägte finanzielle Ressourcen verfügen, die sie nach Angabe der Betroffenen unter anderem durch sexuelle Ausbeutung erwirtschaften würden.